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Donnerstag, 01.09.2011

Drastischer Witz, Lust am Provozieren

Ausstellung: Siggi Liersch zeigt im Walldorfer Rathaus seine "Kollaborationen" - Werke großer Meister verfremdet

Öffnungszeiten: Die Collagen sind bis 14. Oktober zu den Öffnungszeiten des Rathauses Walldorf zu sehen.

Siggi Liersch spielt. Er tut das auf intelligente Weise - er betrachtet, assoziiert und schafft neue Bedeutungsebenen. "Kollaborationen" nennt er seine Bildcollagen, die auf einem Sammelband großer Meister der Malerei fußen. Er habe das Buch unter dem Titel "Der Akt in der Malerei vom 14. bis 20. Jahrhundert" vor Jahren antiquarisch erstanden, erzählt Liersch anlässlich der Vernissage im Walldorfer Rathaus am Dienstagabend.

Michelangelo, Rubens, Tintoretto oder auch Lovis Corinth und Édouard Manet werden von Liersch aus dem Olymp gehoben und zeitgenössisch aufbereitet. In mephistophelischer Manier eröffnet er messerscharf neue Sichtachsen: Der Akt wird zum "Pakt". Aus den Collagen sprechen drastischer Witz, kritischer Geist sowie die Lust am Provozieren. Unbekümmert um das Postulat der Unantastbarkeit der Kunst, gelingt ihm eine inspirierende Schau.

Mit modernen Ergänzungen versehen hat Allround-Künstler Siggi Liersch Werke großer
Meister. Seine "Kollaborationen" zeigt er im Flur vor dem Zimmer des Ersten Stadtrats
Franz-Rudolf Urhahn im Walldorfer Rathaus.
Foto: Alexander Heimann


"Woher hat dieser Liersch nur die Ideen?", sinniert ein Besucher angesichts einer üppigen Diana des Rokoko, deren Freiheit beim Bade Liersch mit einer Schraubzwinge konterkariert, so dass der Körper erstarrt erscheint. Botticellis Venus wird von behelmten Polizisten umzingelt, Rubens üppiger Nackter sind Handschellen angelegt, davor kauert ein ausgemergelter Überlebender des Holocaust. "Im Nachhinein scheint mir manches Gemälde durch die Verfremdung erst vollständig", sagt Siggi Liersch.

Erster Stadtrat Franz-Rudolf Urhahn (Grüne), dessen Korridor die "Flurexponate" dekorieren, nennt Liersch in seiner Ansprache einen "starken kulturellen Muskel unserer Stadt" und verweist mit leisem Vergnügen auch auf die zu bewundernde "Weiblichkeit" der Bilder. Schließlich ist es das "ewig Weibliche", dem Liersch kreativ zu Leibe rückt. "Collagen heitern mich auf, sie entstehen in Phasen, in denen ich nicht schriftstellere oder Lieder komponiere", erklärt Siggi Liersch. Denn der hauptberufliche Lehrer an der Bertha-von-Suttner-Schule ist ein kreativer Allrounder. Die Collagen offenbaren eine weitere Nuance seiner Originalität.

Angesichts der barbusigen Dame von Picasso, die Liersch zwischen zwei Gabeln wie ein Magier zum Dessert aufbereitet hat, meint ein Betrachter: "Mag sein, mancher Meister steht oben am Himmelstor und hält die Keule für Liersch bereit." Dennoch schmunzelt auch er. Denn wie kühn Siggi Liersch auch vorgeht, das inspirierende Moment fesselt. Aufsässig mutet die Umdeutung des Gemäldes von Tizian aus dem 15. Jahrhundert an, auf dem die Geliebte des Zeus lasziv auf Kissen ruht, während die Dienerin ihr die Kehrschaufel in die Hand drückt, als sage sie: "Wie wär's mal mit Arbeit?" Vernissagebesucher Christoph Martino meint fasziniert: "Das ist unerwartet und inspirierend, was Siggi Liersch macht."

Aber ist es nun Kunst oder schlicht Spaß an der Interpretation von Kunst? Siggi Liersch pfeift auf Festlegungen. Kreativität fährt bei ihm Achterbahn, Ausdrucksfindung ist in jeder Form willkommen. Er sagt: "Es kommt vor, dass Collagen mich zu literarischen Texten inspirieren und umgekehrt."

Bei genauer Betrachtung könnte manches "Flurexponat" Anlass zu Streitgesprächen geben, denn frauenfreundlich geht es insgesamt nicht zu. Mehrfach wird das Beil bemüht, das Siggi Liersch ins weibliche Fleisch rammt - so etwa im Akt der fläzenden Schönen von Lovis Corinth.

Augenzwinkernd gefragt, ob jene aggressiven Einfälle auf persönlichen Zwist zurückzuführen seien, gibt sich Liersch souverän als Provokateur: "Keine Ahnung. Aber ich habe nichts gegen einen kleinen Eklat anlässlich der Ausstellung."

Bericht: Charlotte Martin

Quelle: Groß-Gerauer vom 01.09.2011
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